|
|
|
Die Egal 88-Story beginnt
im Frühjahr '82, als sich der Halbamerikaner Tom Rich und der Weißrusse
Szy-Slo in einem Kaff in Ostfriesland nahe Oldenburg treffen und auf dem
Bauernhof einer Hippie-Kommune einen Übungsraum einrichten und dort
einige Sessions veranstalten. Beide hatten einige eigene Songs, denen
sie jetzt angesichts der NDW deutsche Texte
gaben.
Eine andere NDW-Band namens Trio strebte gerade
ihrem Höhepunkt zu und residierte nur ca. 20 km entfernt in Großenkneten.
Man kannte sich aus früheren Zeiten und der Mixer von Trio,
Heino de Witt (oder watt?) lud die beiden Musiker zu einer Aufnahmesession
ins hauseigene Studio ein. So entstand im Sommer '82 das legendäre
8-Song-Tape Musik für Hausfrauen & Mutanten. Kopien dieses
Tapes machten schnell die Runde in Oldenburg, Bremen und Umgebung. Doch
leider wurde bei einem Einbruch in das Trio-Haus
neben anderen Tapes das 8-Spur-Mastertape gestohlen, so daß nur
noch eine Cassetten-Copy erhalten war. Erst 1998 wurde dieses Tape bei
einem verstorbenen Junkie entdeckt.
Im folgenden verstärkte sich die Band um den Holländer Pete
van Erkeren, der den Bass bediente und den Multi-lnstrumentalisten Klaus
Kiewening und nahm im Ede-Wolf-Studio in Oldenburg eine 2. jetzt komplett
deutsche Fassung der Songs für Hausfrauen & Mutanten auf und
erweitert das Album um 12 Songs auf stolze 20. Das Cover zeigte übrigens
einen Wissenschaftler, der mit Gehirnen hantierte; er sah allerdings aus
wie ein alter Krämer, der in einem alten Kaufmannsladen Eingemachtes
aus Weckgläsern verkaufte. Die ersten Live-Gigs fanden auf einer
Riverboat-Fahrt in Bremen sowie im Alhambra in Oldenburg statt. Danach
verließ Klaus Kiewening die Band und wurde durch den Percussionisten
Jens Krüger ersetzt.
Im Februar '83 spielte die Band auf der Wahlkampftournee der Grünen
(Die grüne Raupe) für die Bundestagswahl in 5 Großstädten
vor insgesamt 40 000 Leuten (Hannover, Köln, Karlsruhe, Stuttgart,
München). Verstärkt wurde die Band dabei von dem Trio-Gitarristen
Kralle Krawinkel und als Zugabe gab es immer eine Polit-Version des TRIO-Hits
Anna-Laß mich rein, laß mich raus, unterstützt
jeweils von einer Frauenband wie Carambolage, Eisprung und
Östro 48, die den Chor bei dieser Version sangen. Beim München-Gig
im Deutschen Theater gab es allerdings keine Frauenband, so daß der Chor
von Schröder's-Road-Show, Konstantin Wecker und Cleo Kretschmer
gesungen wurde. Allerdings verließ Wecker unter Protest die Bühne
vorzeitig, da er das damals noch nicht so gebräuchliche Wort "Ficken"
in der Session-Version von Anna entdeckt hatte; eigentlich komisch
für einen Ex-Porno-Darsteller.
Einen weiteren Gig machte die Band auf dem Oldenburger Stadtfest zusammen
mit der Berliner Band Leben & Arbeiten; auch dort kam es zum Eklat,
weil die Berliner auf der Bühne Drogenkonsum jeglicher Art propagierte
und EGAL 88 sich ebenfalls für freien Drogenkonsum aussprach. Frühzeitig
wurde der Band daraufhin der Strom abgestellt.
Nach einem weiteren Gig in der Uni Oldenburg verließ Jens Krüger
die Band und wurde durch Clemens Krallmann ersetzt. Die Band spielte mit
einigen neuen Songs noch 2 mal live: im "Ede Wolf sowie im "Gaslicht"
in Oldenburg (21.10.83). Danach verschwand der Gitarrist & Sänger
Tom Rich spurlos, so daß die Band sich nach 15 intensiven Monaten
auflöste. Aus dieser Zeit noch erhalten (September 82) ist eine sehr
gute Session mit Tom Rich Szy-Slo und Kralle Krawinkel.
In der Folgezeit produzierte Szy-Slo mit Pete van Erkeren noch diverse
Titel mit Wechselnden Musikern; erwähnenswert ist lediglich der Titel
Lost in a Target mit dem Bremer Bassisten Thomas Schmitz sowie
Ingo Schnoor im Sept.' 85 auf dem Sampler Bremen-Deutschland erschienen.
Trio löste sich 1985 auf; Stefan Remmler und
Peter Behrens zogen aus dem gemeinsamen Domizil in Großenkneten
aus; Kralle blieb dort wohnen und Szy-Slo zog Anfang '87 dort ein. Es
begann eine sehr kreative Zusammenarbeit, die sich über gut 10 Jahre
erstreckte.
Nun schauten auch wieder diverse Musiker vorbei; u.a.
natürlich Pete, der einen jungen Oldenburger Musiker mitbrachte:
Unot. Die 3 nahmen einige interresante Titel auf; vertreten auf der 1.
Seite des Tapes Kitsch & some Computer-Shit. Der französische
Sänger Christof Bolwin stieß hinzu, und es entstand der Titel
Discipline of Love. Christof und Unot hatten bereits parallel ihre
1. LP aufgenommen: Billy Moffets Playboy Club
In der Live-Formation für die Promo-Tour dieser
Scheibe spielten Pete und Szy-Slo sowie die blutjunge Sängerin Sabine
Grothe mit auch bekannt unter dem Namen Big Betty Moffett.
Die 3 letzteren nahmen einige Coverversionen auf, z.B. Hanky Panky
und Don't worry Später wurden Pete & Betty als Duo
zum Markenzeichen; Szy-Slo produzierte 1995 mit ihnen ein sehr schönes
8-Song-Tape.
Plötzlich tauchte auch Tom Rich wieder auf. Er
hatte sich nach einem mittel schweren Unfall abgesetzt, keinen Bock mehr
auf das Bizz gehabt und in der Nähe von Hamburg eine neue Existenz
aufgebaut. Tom und Szy-Slo gingen natürlich sofort ins Studio und
nahmen neue Songs auf z.T. mit Drum-Computern & Keyboards; trotzdem blieb
die Handmade-Komponente (Gitarre& Drums) Basis ihrer Musik. Zeuge dieser
Zeit ist die 2. Seite des Kitsch & some......-Tapes.
Tom kam nur für einige Wochenenden,so daß das Bandprojekt "EGAL
88" nicht wieder auflebte; er spielt heute zusammen mit Klemens Krallmann
bei der Hamburger Goa-Band ?Hippiehouse" und so endet hier die EGAL 88-Story.
Szy-Slo und Kralle zogen 1989 nach Berlin und verwirklichten dort 1992
Kralles Solo-Album, übrigens mit Texten des inzwischen verstorbenen
Rio Reiser und einem Duo mit Nena.
P.S. Der Name Egal 88 sollte auf die allgemeine Gleichgültigkeit
aufmerksam machen (egal=88), wie die z.T. sehr engagierten Texte auch
zeigen. Die Zahl 88 hat rein gar nichts mit der inzwischen in der rechten
Szene gebrauchten Bedeutung zu tun. Die Band hat sich immer (wenn schon
Schublade) auf der äußerst linken Seite des Spektrums gesehen.
(Willi Szyszlo, Thomas Dreyer)
|
|
|