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   Die Parkhaushänker
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   Autor  Thema: Die Parkhaushänker  (Gelesen 916 mal)
klobuerstenkopp
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Beiträge: 1
Die Parkhaushänker
« am: 09/03/05 um 12:42:47 »
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hi,
 
habe auf der Tape-Compilation "Sommerzeit" zwei Songs von Hervé & kilowatt gehört, die mich neugierig auf mehr machen. Eine Freundin meint sich zu erinnern, dass aus Hervé & kilowatt später Die Parkhaushänker wurden. Die sollen so um 1982 existiert haben.
 
Wer kann mir helfen: Welche Tonträger gibt's von denen? Wer war das und was wurde aus denen? Wer kann mir was verkaufen oder überspielen?
 
Infos & Angebote einfach hier ins Forum einstellen.
 
 
Bedankt!
 
 
Klaudia
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kilowatt
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C U @ the Barricades

   
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Beiträge: 65
Re: Die Parkhaushänker
« Antworten #1 am: 10/05/05 um 08:44:16 »
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Hallo Klaudia!
 
Ich bin perplex! Vielen Dank für Dein posthumes Interesse an Hervé & kilowatt bzw. an den Parkhaushänkern, von denen ich die Hälfte stellte. Du willst wissen, wer, was & warum!? Also, das war so:
 
Eschweiler 1981. Die Neue Deutsche Welle rollte. Bernd und ich waren 15 / 16. Mittwochs hörten wir JOHN PEEL auf BFBS, diskutierten donnerstags die neuesten Hörereignisse, kauften uns zunächst noch den MUSIK-EXPRESS, später nur noch die SOUNDS, die SCRITTI, die SPEX und den MUSIKER MUSIK NEWS. Letzterer veröffentlichte kostenlose Kleinanzeigen, und eines Tages wurde Bernd auf ein Angebot von GRAF HAUFEN vom Havelmatensteig in Berlin aufmerksam, der das Fanzine CLONK CLONK CLONK HUHU MÄNNLICHE HERREN herausgab und ein obskures Sortiment von Punk-, Elektronik-, Experiment , Wave- etc. Tapes anbot. "Graf Haufen - muss man kaufen", war sein Slogan. Wir bestellten Tapes von SK, PSEUDOELEKTRONIXX, GELÄNDETERROR und den SPANDAUER TATENDRANG-SAMPLER. Die Tapes waren billig: 60 Minuten feinste abnorme Geräusche für 4 Mark! Und das gute Gewissen, nicht die Industrie unterstützt zu haben, sondern ausschließlich Typen, die ihre Musik leben. Die SOUNDS veröffentlichte gleich in der ersten Ausgabe, die ich kaufte, die Adresse von Silvio aus Herzogenrath, der auf seinem Label REINFALL den Aachener Sampler SO NICHT herausgab. Unglaublich, wer da wenige Kilometer von uns entfernt elektrisierenden Krach machte: Z.B. URIN, ABSTAND, NEROS TANZENDE ELEKTROPÄPSTE, TIEFPUNKT, ZUKUNFTSWEISENDE ZUSAMMENKUNFT, DIE KURSCHATTEN, ABNORM, KURZSCHLUSS und KEINE AHNUNG. "Das ist die neue Zeit / Das ist das Ende", hieß es, und "Deutschland brennt", aber auch Dada-Hits wie "2 Füller und 1 Kamm". Wir waren auf-der-Stelle aufgeregt und von einem unbekannten Fieber erfasst: Was wir da hörten, war völlig neu, klang aufregend, unkonventionell. Man brauchte keine millionenschwere Ausrüstung und keinen polierten Sound! Als dann auch noch "Da vorne steht ne Ampel" von DER PLAN und frühe Sachen von ANDREAS DORAU aus dem Radio schepperten, war uns klar: "Das können wir auch!" Das Prädikat "Punk" erlaubte Dilettantisches und Primitives und schuf eine neue Bewertungsebene: Deine Kunst muss nicht ausgereift sein, nur phantasievoll, energisch und gegen den Strom.
 
Nach den Hausaufgaben wurden Bernd und ich zu Hervé & kilowatt, wurden Kinderzimmer oder Vatis Kellerbar in Aufnahmestudios umfunktioniert. Wir räumten Konstruktionsbaukästen, Schulhefte und Barhocker zur Seite und nahmen uns, was wir bekommen konnten: Kindertrommeln, Bierflaschen, ein 4-Spur-Tonbandgerät von Philips aus den 1960ern, zwei Billigmikros, die man herrlich übersteuern konnten, Opas Schlagzeugbecken aus den 1930er Jahren und ähnliches. Der Clou aber war mein Keyboard aus FISCHERTECHNIK, ausgestattet mit acht Tasten, Tonhöhenverstellung und rhythmischer Tonwahl. Unser Vorbild war die frühe DAF, aber wir klangen eher wie die Residents im Proberaum der "Commercial"-Phase. Immerhin.
Bernd stellte sein BARCLAY JAMES HARVEST-Fansein ab sofort ein, meine QUEEN-Schallplatten rückten verschämt nach hinten. Als HERVÉ & KILOWATT und DIE PARKHAUSHÄNKER machten wir Dilletanten-Wave. Mit Thomas D., Luffy und Markus K. gründete ich den KDB, den KREIS DER BETROFFENEN.  
 
Fortsetzung folgt ...
 
 
kilowatt
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kilowatt
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C U @ the Barricades

   
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Beiträge: 65
Re: Die Parkhaushänker
« Antworten #2 am: 10/05/05 um 08:45:50 »
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Fortsetzung ....
 
Das erste Tape von HERVÉ & KILOWATT musste eine C 10 sein - die ungewöhnliche Spieldauer war schon mal Klasse. Wir hatten vier Gemeinschafts- und zwei Solostücke ("Songs“ wäre wohl zuviel gesagt). "Kurz vor nach dem Tod" bestand im Wesentlichen aus dem Schnippsen einer Küchenschere, das mit erhöhter Geschwindigkeit aufgenommen wurde; die geringe Abspielgeschwindigkeit des Tonbands fügte dann einen lasziv hohen Oberton sowie einen  prächtigen Hall hinzu - gruselig! Danke, Philips! Der Hit war "Leere", ein Tribut an DAF: Hinter Opas Trommelbecken und bewaffnet mit zwei leeren Margarinebechern wurde Bernd zum Tier am "Schlagzeug". Dazu wavige Keyboardtöne vom FISCHERTECHNIK, den ich irrtümlicherweise so eingestellt hatte, dass er die ohnehin schon kurzen Tonlängen zu einem irren Stakkato umwandelte. Sequenzer verpisst Euch – keiner vermisst Euch! Über allem der Text, der meine Party war:
 
leere
ich
und du
du und ich
ich und du
wir beide
wir leben diese leere
leer
hörst du die leute
sie reden
befehlen
rufen schreien klatschen
sie wissen nicht
daß leben leere heißt
leben heißt leere
leben ist leer
leere ist eisig
ein großer raum
du bis meine keule
meine hantel
oh du
 
Ja, da hatte jemand seinen Sartre und Gabi Delgado gelernt! Auf dem Inlet, das aus mehreren Seiten bestand, damit es von der Musik ablenkt, mussten wir - ganz Oberschüler - unser Tun natürlich rechtfertigen. Zitat: "Eines schönen Tages in der nahen Zukunft werden wir alle, die wir uns Mensch nennen, auf unseren Buden / Zimmern / Appartements hocken, eingeschlossen von großer eisiger Leere, umgeben von Kochtöpfen, Casios, Magnettonbändern und Radios und eingewickelt in Kopfhörer, Knöpfe und Phantasie. Wir werden uns unsere Tonträger nur noch zum eigenen Konsum herstellen, die Kommunikation ist abgebaut, die Straßen / Wege und U-Bahnen sind leergefegt." Ein Traum, der uns die Angst vor der Zukunft nahm, denn es hatte etwas Beruhigendes, sich durch Kreativität zu behaupten. Oder, wie Bernd schrieb: "Diejenigen komma die uns und gleichgesinnte prolobands nennen komma sind selbst zu freige / faul / blöd / phantasiearm, was eigenständiges zu produzieren punkt amen."
 
Eine Sonderauflage von 15 Tapes enthielt ein kILOWATT-Bonusstück sowie unsere mit Marschmusik hinterlegte Aufforderung, Platten der Industrie zu boykottieren, da EMI, POLYDOR usw. als multinationale Konzerne unseres Wissens mit Atombombenherstellern paktierten. Für uns hieß dies tatsächlich, dass wir Platten der Industrie geradezu hassten und wenn immer möglich mieden. Das klappte wenigstens in Bezug auf deutsche Bands ganz gut.
 
Wir hatten unsere eigenen Badges und planten geniale / nie dagewesene Live-Auftritte. 60 Tapes wurden wir über die einschlägigen Vertriebe los, die überall in Deutschland von jungen Leuten gegründet wurden, meines hieß PURER SPASS wie mein gleichnamiges Fanzine, später INDUSTRIAL FACT.
 
Zwei Songs fanden Eingang in die von Dir erwähnte Sommerzeit-Compilation. Leider wurden die Stücke mit falscher Geschwindigkeit kopiert ...
 
 
Fortsetzung folgt ...
 
 
kilowatt
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kilowatt
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C U @ the Barricades

   
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Beiträge: 65
Re: Die Parkhaushänker
« Antworten #3 am: 10/05/05 um 08:46:31 »
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Fortsetzung ...
 
Den Erlös unseres ersten Tapes, sage und schreibe 30,54 DM einschließlich Zinsen, investierten wir in eine Bahnfahrt nach Düsseldorf, wo wir von Plattenladen zu Plattenladen zogen und abends in den Ratinger Hof wollten. Der hatte aber geschlossen. Ansonsten fanden nur irgendwelche Dixieland-Konzerte statt. Provinz. Immerhin trugen wir schwer an unseren Platten, z.B. Lydia Lunch „13.13“, Malaria „New York Passage“, Echo and the Bunnymen „Crocodiles“, Theatre of Hate „Westworld“, Der Plan und Ti-Tho „Traumtänzer“.
Angesichts der vielen beeindruckenden Parkhäuser, die wir auf unserem Ausflug sahen und der wunderbaren Möglichkeiten, die sich darin für Auftritte bieten würden, benannten wir uns in DIE PARKHAUSHÄNKER um. An den beiden folgenden Wochenenden nahmen wir unser zweites Tape auf, eine C 20er und komplett live eingespielt.  
 
Titel: "Überflüssig/trotzdem." Die Stücke kamen leicht, wir waren's zufrieden. Teilweise gelangen uns sogar hübsche Stereo-Effekte! "Haut & Knochen" war vornehmlich ein Hervé-Stück ("Wünsche Dir / Toxine & Gift / verbrenne Deine Bleistiftsammlung / Häng’ die Asche / an  die Wand / und freue Dich ..."). "Logarithmisch reziproker Übertragungswert" war ein typisches Gemeinschaftsprodukt ("Esso, Fanal, Total, Kaputt."). Sogar meine Klarinette kam bei dem geradezu romantischen "Allein mit meiner Einsamkeit" zu Ehren. Nicht verkneifen konnte ich mir eine Reminiszenz an meine Ex:  
 
Eisvogel im November.
Ein schrecklich düsteres Wort
Du nennst es
und es tropft Blut.
Ich bin nicht erschrocken,
du schaust mich an
bist unerkannt voll Wut.
Schwerelos gelöst
die Musik zerreißt
die unsichtbare Stille.
Eine sanfte Berührung
die Liebe heißt.
Vielleicht ist es besser,
wenn ich trotzdem schweige.
 
Hervé tippte dazu eine wehmütige Melodie in das Keyboard, die es mit "Ich lieb sie" von GRAUZONE aufnehmen konnte. Aber dieses Stück war die Ausnahme. Zumindest mir lag rhythmischer Krach näher, selbst wenn er wie bei "Sommerzeit (mitten im Sommer)" den Pop küsste. Mein Ziel war existenzialistischer Weltuntergangslärm als Ausdruck meiner brennenden Seele. Yeah. "Emmenant des Bébés au Bord de la Mer" (ein Abfallprodukt aus dem Französisch-Unterricht) kam meiner Vorstellung schon sehr nahe. Beim Schlagen auf die Schlaginstrumente und Herausbrüllen aller Wut und allen Ärgers vergass ich mich. Verwüstete unser Equipment. Auch das Stück war toll, fand ich, aber die "musikalischen Differenzen" waren unüberwindbar: "Emmenant des Bébes" war der letzte gemeinsam eingespielte Track. Bernd bekam als Begrüßungsgeschenk für ein Fernsehzeitungsabo eine Bontempi-Orgel und begann sein Soloprojekt SIEG ODER SIBIRIEN.
 
Und sonst? 1984 brachte ich als „Psychedelic Incident“ eine Cassingle heraus mit der Doppel-A-Seite „Munch / Merzbow“ – zwischen Industrial, Doom & Hirnkrieg. Schrieb ansonsten gut zwei Jahrzehnte für Fanzines & Stadtzeitungen und veranstaltete den ein oder anderen Gig (z.B. Walter 11, Throw that Beat, Trickbeat).
 
Vielen Dank für das nette Gespräch.
 
Und wenn Du (oder andere) Hörstoff brauchst, melde Dich: klaus_wittmann (at) freenet.de. Ich könnte alle hier erwähnten Tapes für wenig Geld z.B. auf CDR überspielen.
 
Infos gibt’s auch unter punk-disco.com
 
 
kilowatt
« Zuletzt bearbeitet: 10/05/05 um 09:12:32 von kilowatt » gespeichert
Fyxline
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Beiträge: 249
Re: Die Parkhaushänker
« Antworten #4 am: 10/05/05 um 12:43:11 »
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vielen dank...kilowatt,
 
für diesen herrlichen beitrag.
jeder der wissen will, was ndw ist oder war sollte diese geschichte lesen und er wird verstehen, was das faszinierende in dieser zeit war. der punk erwachte anfang der 80er in einer völlig neuen form und verdrängte für einige zeit den mainstream...du hast das sehr schön beschrieben...man schob die alten platten beiseite und war offen und regelrecht ausgehungert nach neuer musik und neuen tönen. und unter welchen umständen und mit welcher technik diese musik entstanden ist, kann man wirklich als einzigartig bezeichnen.
nena, hubert kah und peter schilling( ) in allen ehren, aber der geist der ndw lebte in geschichten wie dieser von kilowatt.
 
vielen dank
Fyxline
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